Freitag, 11. Februar 2011

Wie sieht es eigentlich im Fluechtlingslager aus?

Heute moechte ich Euch ein wenig berichten, wie es im Fluechtlingslager aussieht. Meine Vorstellung von einem Fluechtlingslager sah bis vor einem halben Jahr etwa so aus: Menschen leben in Zelten, ueberleben lediglich aufgrund der Lebensmittelrationen der UNO und besitzen keine medizinische Versorgung.  In Kakuma war dies die Situation in den 90-er Jahren - seitdem hat sich allerdings vieles veraendert.
Da Fluechtlinge in der Regel viele Jahre im Camp verbringen, haben sie mit der Zeit Wohnhuetten gebaut. Dies sind in der Regel Lehmhuetten, die mit einem Wellblechdach ausgeruestet sind. In einer solchen Ein-Raum Huette leben meist mehrere Personen (Familien oder Geschwister...) - es koennen bis zu sechs  oder sieben Personen sein. Einige dieser Huetten teilen sich dann ein Plumpsklo. Eine Organisation bietet medizinische Hilfe, welche wirklich nur rudimentaer ist.
Zweimal taeglich besteht fuer eine Stunde die Moeglichkeit
an oeffentlichen Plaetzen Wasser in Kanister zu fuellen
und nach Hause zu transportieren - entweder im
Schubkarren, auf dem Kopf,...
Das Wasser fuer den taeglichen Bedarf erhaelt man an einer Wasserstelle, vor welcher immer wieder viele Menschen Schlange stehen. Zweimal taeglich besteht fuer eine Stunde die Moeglichkeit Wasser in Kanister zu fuellen. Nach einem mir unverstaendlichen System werden die eigenen Kanister abgestellt, welche die Reihenfolge markieren. Die Menschen warten dann im Schatten bis sie an der Reihe sind.
Zwei Mal monatlich werden vom Welternaehrungsprogramm (WFP) Lebensmittelrationen verteilt. Diese umfassen Maismehl, Reis, getrocknete rote Bohnen - und mit etwas Glueck einige hygienische Utensilien. Frisches Gemuese, Obst oder Fleisch kann bei den Temperaturen in Kakuma nicht gelagert werden und wird somit auch nicht ausgegeben. (Die gesamten Gueter werden in einem Zeitraum von zwei Wochen angefahren, zwischengelagert und schliesslich zum festgesetzten Termin beginnt die Lebensmittelverteilung).

In dieser Hauptverkehrsstrasse gibt es wie
an anderen Stellen im Camp einige kleine
Staende, Geschaefte und Lokale.
Mit den Jahren entwickelte sich daher im Camp ein Handel. In kleinen Geschaeften gibt es allerlei  fuer den alltaeglichen Bedarf zu kaufen. Ebenso gibt es  Metzgereien, die von einem Schlachthaus Fleisch erhalten - welches mit Tieren von der lokalen Bevoelkerung beliefert wird. Auf dem Markt gibt es ein wenig Gemuese, Zwiebeln, gelegentlich Tomaten, Karotten, Kohl. Diese Dinge werden mit privaten LKWs einige 100km angekarrt und vor Ort verkauft. Auch Handwerker sind im Camp zu finden: Schneider, Schuhmacher, Mechaniker...
Auf dem Foto ist die Hauptstrasse des Camps zu sehen. Sie ist viele Kilometer lang und fuehrt durch das gesamte Camp (inwiefern dies wirklich als Strasse bezeichnet werden kann angesichts der Loecher und Huegel auf der Fahrbahn sei dahingestellt).

Es gibt kleine Lokale, in denen man einen Tee oder Kaffee trinken und auch etwas Essen kann. Selbstverstaendlich ist dies alles sehr einfach aufgebaut - eine groessere Lehmhuette mit Lehmboden, und einigen Plastikstuehlen.
Wenn ich das Bild so anschaue, frage ich mich, ob mir an
diesem Tag kalt war. Anders kann ich mir nicht erklaeren,
dass ich ein langaermeliges Hemd trug. Aber
wahrscheinlich hatte es nur 36 Grad Celsius.
In der Ecke des Raumes wird mit Holzkohle Wasser gekocht und in einem Nebenraum sind einige kleine Kochstellen zu finden, die ebenfalls mit Holzkohle betrieben werden. Im Vorraum eines solchen Lokals trinke ich gelegentlich in einer kurzen Pause oder sonntags einen Tee.

Woher haben die Menschen Geld, um einkaufen zu gehen? Ist in diesem Fall die Hilfe von Organisationen ueberhaupt notwendig? Koennte sich dies nicht alles selbst tragen?

Nur weil Organisationen hier taetig sind, laeuft es relativ rund. So werden in unseren Programmen behinderte Menschen die Moeglichkeit den Tag lernend und spielend zu verbringen, traumatisierte Menschen erhalten Hilfe, im Frauenhaus koennen misshandelte Frauen unterkommen und im Bildungsprogramm wird eine Basis fuer die Zukunft geschaffen (siehe auch "Der Jesuitenfluechtlingsdienst und seine Arbeit"). Und in all diesen Bereichen bekommen Fluechtlinge eine Ausbildung und arbeiten dann mit uns, um anderen Fluechtlingen zu helfen. Ebenso beschaeftigen andere Organisationen Fluechtlinge. Dabei verdient ein Fluechtling etwa 45 Euro im Monat. Wenn er/sie verheiratet ist und einige Kinder hat, dann verdient er genuegend um ein wenig Gemuese und ein wenig Fleisch zu kaufen.
Wenn die Unterstuetzung der Organisationen wegfallen wuerde, saehe es hier bald ganz anders aus. Und selbstverstaendlich sind fuer alle Menschen zusaetzlich die Rahmenbedingungen schwierig: Bereits seit 5, 10 oder 15 Jahren von der Heimat weg, Ungewissheit ob einzelne Familienangehoerige ueberhaupt noch leben, Verlust der meisten Habseligkeiten, psychische und physische Beschwerden aufgrund der Erlebnisse, und nun in einer Gegend mit durchschnittlichen Tagestemperaturen um 39 Grad Celisus mit viel Staub.

3 Kommentare:

  1. Super Bericht. Das "Wasseranstellsystem" klingt ja interessant.

    Liebe Grüße aus Rom
    Henrik

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  2. Freut mich sehr, dass Du genug Humor hast!
    S.

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  3. Servus Christian!
    Wie gehts in Kenia? Hab gerade deine letzten Blog-Einträge gelesen. Sehr stark! Ich weiß nicht, ob ich das so aushalten würde... Wie man merkt hast du auf jeden Fall auch eine Portion Humor für alles ;) Ich wünsch dir auf jeden Fall weiterhin alles Gute und Gottes Segen!

    Gruß J.

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