Samstag, 28. Mai 2011

Lake Turkana - ein See in der Wueste

Einige Arbeitskollegen am See unter Palmen
Vor einigen Wochen ergab sich die Moeglichkeit einen Ausflug an den Lake Turkana zu unternehmen. Am Wochenede ist dies normalerweise nicht moeglich, da wir samstags generell bis 13 Uhr arbeiten. In Kenia gilt allerdings eine interessante Feiertagsregelung: Faellt ein gesetzlicher Feiertag auf einen Sonntag, so ist dafuer der Montag arbeitsfrei. Da dies der Fall war, brach ich am Samstagnachmittag zusammen mit einigen Arbeitskollegen auf, um an den etwa 180 Kilometer entfernten See zu fahren. Der See liegt inmitten einer Wueste, die es zu durchqueren gilt. Neben vielen Steinen und Sand gibt es auch relativ viele Straeucher und Baeume, die sehr wenig Wasser benoetigen. Jaehrlich regnet es an nur 3 oder 4 Tagen, so dass sich mir eine Frage aufdraengte. Ein Baum benoetigt fuer sein Wachstum ordentlich Wasser, wenn es nur sehr wenig regnet, so dauert es schliesslich ewig bis der Baum einige Meter hoch ist. Wie alt sind also wohl die Baeume?
Baeume und Straeucher in der Wueste. Die Bewohner der Gegend leben
aeusserst aermlich und finden es nur begrenzt amuesant, wenn man sie
fotografiert. Ein Doppelklick auf das Foto vergroessert es und die Geste
des Einheimischen  spricht Baende.

Die Flaeche des Sees betraegt etwa das 10-fache des Bodensees, weltweit sind nur 23 Seen groesser und er ist weltweit der groesste Wuestensee. In dieser Region leben die Menschen noch aermlicher als in Kakuma.  Auf dem Weg an den See hielten wir kurz an, um Feuerholz zu sammeln. Nach einiger Zeit erschienen aus dem Nichts einige Menschen, die schliesslich Trinkwasser erbettelten (siehe Foto oben) .  Die Infrastruktur ist auch am See miserabel - die Verkehrsanbindung an andere Teile des Landes ist aeusserst schlecht, so dass wenige Touristen kommen, Fische aus dem See nicht in andere Landesteile transportiert werden und Industrie und Handel gibt es hier ohnehin nicht. Am Campingplatz versuchten einzelne Kinder und Jugendliche handgefertigte Koerbe, Halsketten aus Fischknochen, u.ae. fuer 50 - 300 Schilling (etwa 0,5 - 3 Euro) zu verkaufen. Einzig mit Ziegen- u. Kamelzucht und ein wenig Fischerei halten sich Menschen ueber Wasser. Mir kamen spontan zwei Begriffe in den Sinn: Buschmensch und Eingeborener.
Eine Kamelherde am Strand. Kamele sind fuer mich einerseits exotisch -
andererseits gehoeren sie fuer mich hier in Turkana nahezu zum Alltag.
Der See ist wunderbar - das Wasser ist warm, der Sandstrand weiss, Sandduenen mit Palmen schliessen sich an den Strand an und auf der gegenueberliegenden Seite des Sees ragen grosse Felsen aus Vulkangestein empor. Meist herrscht ein leichter angenehmer Wind und eine wohltuende Ruhe. Ich finde den Ort faszinierend, vor allem auch, weil dies inmitten einer Wueste ist. Es ist nahezu das Paradies - einzig die extreme Hitze noetigt dazu sich zwischen 10 Uhr und 17 Uhr dauernd im Schatten aufzuhalten (entweder in einer Huette oder unter grossen Palmen). Das das Wasser alkalisch ist, gibt es die sonst oftmals in Seen vorhandenen Bakterien nicht und es laesst sich bedenkenlos darin baden (zumindest nach Auskunft meines Reisefuehrers).
Panoramabild bei beginnendem Sonnenuntergang. Durch Doppelklick auf das Foto erfolgt eine Vergroesserung.
Vor etwa 10.000 Jahren war der Wasserpegel des Sees hoeher, so dass Wasser in den Nil floss und Fische und Krokodile in den Lake Turkana wanderten. Daher gibt es heute im See einen grossen Fischbestand und auf einer grossen Insel innerhalb des Sees gibt es daher rund 15.000 Nilkrokodile. Leider hatten wir keine Moeglichkeit auf diese Insel zu fahren - aber dies kann ja noch kommen. So ein kleines, suesses Krokodil koennte ich ja als Souvenir nach Deutschland mitnehmen.

Sonntag, 8. Mai 2011

Kakuma steht unter Wasser! - oder - Des einen Freud, des andern Leid!

Seit meiner Ankunft im Oktober regnete es bis Ende April einige Male für einige Minuten und einmal für etwa eine Stunde. Ende April regnete es aber dann einige Tage immer wieder für eine Stunde, so dass es sich erfreulicherweise abkühlte. Für mich persönlich war dies eine gelungene Abwechslung - ich war die tägliche Hitze und die Eintönigkeit des Wetters allmählich Müde. Viele sehnen sich nach dieser Abwechslung und dem Regen, welcher so notwendig ist, so dass sich die Grundwasserreserven wieder füllen und aus den Bohrlöchern wieder Wasser sprudelt. Sobald diese Abwechslung eintritt, werden jedoch viele Wege zu Schlamm, was wiederum die wenigsten wirklich wollen - und es ist wieder zu hören: Wenn doch nur alles schnell trocknen würde. Der Schlamm ist für die Mitarbeiter der Organisationen nicht schlimm, da wir durch das Camp mit Jeeps fahren. Ein Flüchtling hingegen ist nach einem kurzen Marsch bereits vollkommen schmutzig. Einzelne Flüchtlinge bangen auch, dass das Dach hoffentlich nicht zu viel Wasser durchlässt. Einer der Flüchtlinge, der im Bildungszentrum arbeitet, verabschiedete sich eines Tages und meinte er müsse kurz nach Hause gehen und die Wassereimer leeren. Sein Dach hat einige Löcher. Damit sein Wohnraum, der nur einen Lehmboden hat, sich nicht zu Schlamm verwandelt, stellte er unter die Löcher Eimer, die er dann leeren wollte. Wie priviligiert ich doch mit meinem Zimmer bin; solche Probleme habe ich  nicht einmal hier.


Das Flüchtlingscamp ist umgeben von einigen Flussbetten. Auf dem folgenden Foto ist ein solches oben zu sehen - eine Ziegenherde durchquert das Flussbett. So kannte ich das Flussbett seit meiner Ankunft und konnte mir nicht vorstellen, wie das Flussbett entstanden ist und schon gar nicht, dass dieses eines Tages auch einmal mit Wasser gefuellt sein koennte. Dies aenderte sich nun: Ueber Nacht fuellte sich das Flussbett und wurde zu einem reissenden Strom. Auf dem Foto im unteren Teil und im Video ist dies schoen zu sehen. Doch woher kommt das Wasser? Der Regen in Kakuma ist es ja sicherlich nicht. Nein - das Wasser kommt aus Uganda. Wenn es dort in den Hoehenlagen regnet, fliesst es ins Tal, sammelt sich und wird in kuerzester Zeit zum reissenden Strom. Leider unterschaetzen viele Menschen die daraus resultierende Gefahr - der Wasserstrom entwickelt sich nicht langsam, sondern ist innerhalb von einer kurzen Zeit sehr stark, so dass regelmaessig Menschen in diesen Flussbetten sterben. Dieses Mal ist erfreulicherweise anscheinend nichts passiert.
Im Foto oben ist der "Lager" - wie die Flussbette hier bezeichnet werden - zu sehen, wie er mir seit Oktober bekannt war : Ausgetrocknet, Ziegenherden durchqueren ihn und einzelne Menschen graben nach Wasser. Unten ist der "Lager" nun mit Wasser gefuellt und ein reissender Strom. Regelmaessig sterben  Menschen, weil sie - besonders Kinder - die Gefahr des nahenden Wassers unterschaetzen.
Das Video gibt einen zusaetzlichen Eindruck ueber die Wassermassen. Ziegen ueberqueren das Flussbett nun ueber die Bruecke - und eine Einheimische findet mein Videodreh nicht toll - sie haette mir fast die Kamera aus der Hand geschlagen. Die umstehenden Schaulustigen lachten herzlich. Ich liess mich jedoch nicht aus der Ruhe bringen und drehte weiter.
Da ein etwas kleinerer "Lager" das Camp durchquert, kann es vorkommen, dass Menschen ploetzlich von ihrem zu Hause abgeschnitten sind - eine Bruecke existiert nicht und den "Lager" zu durchqueren ist viel zu gefaehrlich. An solchen Tagen steht vieles still. Menschen warten - Hilfsorganisationen fahren nur in bestimmte Teile des Fluechtlingslagers. Der Strom reisst auch immer mehr Erde mit, so dass das Flussbett breiter wird. Vor einigen Jahren wurde dies schliesslich etlichen kongolesischen Fluechtlingen zum Verhaengnis: Ihre Lehmhuetten und ihr Hab und Gut wurden weggespuelt - das Flussbett verbreiterte sich.

Eine etwas amüsantere Begebenheit spielt sich regelmäßig beim UNHCR ab. Bis vor 10 oder 15 Jahren hatte der UNHCR seine gesamten Wohn-und Arbeitsgebäude im selben Bereich wie alle anderen Organisationen. Da der Platz eng wurde (und nicht mehr komfortabel genug?), entschloss man sich an anderer Stelle zu bauen. Allerdings entschied man sich ausgerechnet für einen Bereich, der regelmäßig durch das Wasser eines überlaufenden Lagers überflutet wird. Anscheinend glaubte man die Angelegenheit bewältigen zu können. Seitdem ist jedoch regelmäßig dieser Compound überflutet. Dieses Jahr standen alle Büro und Wohngebäude einen halben Meter unter Wasser. Warum man sich ausgerechnet für diesen Platz entschied, ist mir unbegreiflich. Der UNHCR war schon seit Jahren vor Ort und hätte eigentlich sehen können, dass dieser Platz überflutet wird. Einige hundert Meter weiter besteht dieses Problem jedoch nicht. Meines Erachtens handelte es sich nicht um eine sehr weitsichtige Planung.

Das Quartier des UNHCR steht unter Wasser. Hinter der Brücke geht es auf den Weg, welcher zum UNHCR führt. Das gesamte Anwesen steht einen halben Meter unter Wasser, also auch die gesamten Wohn- und Arbeitsgebäude. (durch einen Doppelklick auf das Bild, wird es vergrößert)