Mittwoch, 18. April 2012

Lebensgeschichten
- oder -
Die ständige Angst vor Kony und seiner LRA

Seit einigen Jahren ist die Lord Resistance Army (LRA) um Joseph Kony aus Uganda vertrieben und versetzt nun Teile des Kongo, der Republik Zentralafrika und des Südsudans in Angst und Schrecken. In Kakuma sind noch immer Flüchtlinge aus Uganda anzutreffen, die vor Kony und seiner LRA geflohen sind. Dies wirkt auf den ersten Blick verwunderlich, hat aber seine guten Gründe. Ein Beispiel hierfür ist Acan, die im Juli 2011 nach Kakuma kam.

Liliane (meine Übersetzerin, links) und Aca
Bis zum Jahr 2005 blieben Acan und ihr Dorf von Kony und seiner Armee verschont. Dann gingen eines Tages Gerüchte umher, dass Kony in der Gegend sei. Und dann geschah das Unfassbare. Die Rebellen griffen das Dorf an, plünderten Häuser, schlugen Menschen,... Acan stockt sie erzählt nicht weiter. Ihr fällt es sichtbar schwer ihre Erlebnisse zu schildern. Sie deutet kurz an, dass einigen Hände abgehackt wurden - und wieder stoppt sie. Viele Menschen mussten sich in Reihen aufstellen und wurden hingerichtet. Dabei wurde sie von einem Streifschuss am Becken getroffen, viel zu Boden und blieb liegen. Als die Rebellen abzogen, glaubten sie alle getötet zu haben. Ein Bruder Acas und ihre Mutter starben. Aca konnte aufstehen und mit Hilfe von anderen Dorfbewohnern, die in den Wald flüchten konnten, ging sie in die Stadt Kitgum. Nach nur einigen Tagen in Kitgum, kamen auch dort die Rebellen an und trieben ihr Unwesen. Sie selbst konnte sich in einem Haus verstecken. Details erzählt Acan nicht. Sie sagt: "Ich habe vieles erlebt. Ich könnte noch vieles erzählen" und ich merke wie schwer sie sich tut von der Vergangenheit zu erzählen. Ich will nicht bohren, sondern erkläre, dass sie bitte nur so viel erzählen soll, wie sie wünscht. Von Kitgum floh sie dann nach Gulu - doch auch da war sie nur einige Wochen in Sicherheit. Abermals überfiel die Lord Resistance Army auch diesen Ort. Wie durch ein Wunder kam sie mit ihrem Leben davon und floh in den äußersten Süden Ugandas.

Im Jahr 2011 fand sie heraus, dass einige entfernte Verwandte in Kakuma leben. Sie kommt hierher um mit einer Tante und Cousins zu leben. Acuna weiß nicht, was aus ihren Brüdern und Schwestern wurde.

Ich frage sie, ob sie sich vorstellen kann wieder zurück nach Uganda zu gehen. Sie verneint. Sie hat zu viel Angst - zu viel Angst auch davor, dass Kony wieder zurück kommen könnte. Solange Kony nicht verhaftet ist, wird sie jedenfalls nicht zurück gehen. Acan hat bisher nichts von der Initiative Kony 2012 gehört, welche durch Medienarbeit versucht zu sensibilisieren und Regierungen dazu zu bewegen Kony zu fassen. Als ich ihr davon erzähle, ist sie erfreut und hofft, dass er bald gefasst und vor Gericht gebracht wird.

Dienstag, 10. April 2012

Impressionen von den Kar-und Ostertagen in Kakuma
- oder -
Wie stark das Osterfeuer die Nacht erhellt!

Zu Beginn der Karwoche unterhalte ich mich mit einem Flüchtling, der einer der vielen kleinen Freikirchen angehört. Im Gespräch stellt sich heraus, dass der an den Kar-und Ostertagen studieren will. Ich bin überrascht, da er in seiner Kirche engagiert ist und normalerweise an allen Feierlichkeiten teilnimmt. Auf meine Frage, ob er nicht an den Gottesdiensten an Gründonnerstag, Karfreitag und in der Osternacht teilnimmt, antwortet er: "In meiner Kirche feiern wir nur den Ostersonntag. An den anderen Tagen haben wir keine Liturgie." Gibt es einen speziellen Grund für das Auslassen dieser Feiern? Darauf er: "Ich weiß auch nicht weshalb. Vielleicht weil wir nicht genügend Geld haben an jedem Tag im Anschluss an die Gottesdienste ein großes Fest zu feiern." In vielen Kulturen Afrikas ist jede außergewöhnliche Feier mit einem Fest verbunden. Werden die Kartage nicht begangen, da dies Tage der Trauer und des Mitvollzugs der Passion Jesu sind und ein großes Fest daher nicht gefeiert werden kann? Rätselnd bleibt mir der wahre Grund verborgen. Ich bin überrascht und stelle fest: Die Auferstehung Christi kann also auch gefeiert werden, ohne zuvor seines Todes zu gedenken.
Die Fusswaschung als Zeichen des Dienstes und der Liebe
wird auch in Kakuma durchgeführt.P. Luis Amaral wusch
an Gründonnerstag 12 jungen Männern die Füsse.

An Gründonnerstag und Karfreitag sind in den Kirchen wesentlich weniger Menschen, als üblicherweise an Sonntagen. In der Kirche, in welche ich an Gründonnerstag und Karfreitag gehe, ist die Kirche vielleicht zu 25% gefüllt; an einem normalen Sonntag ist die Kirche jedoch voll. Dieses Phänomen fiel mir bereits letztes Jahr auf - und bis heute habe ich keine Erklärung dafür. Vielleicht liegt es daran, dass in der Heimat der meisten Flüchtlinge nur selten ein Priester vorbei kommt, somit keine Kartage gefeiert werden und dann erst am Ostersonntag oder in der Osterzeit ein Priester in einem Ort vorbei kommen kann.

Die Gottesdienste werden trotzdem festlich gestaltet und es bleibt der Eindruck, dass die Teilnehmer innerlich die Passion Jesu mitgehen. Vermutlich sind jetzt vor allem diejenigen anwesend, die ihren Glauben aus einer tiefen inneren Überzeugung leben.

Die Osternacht hatte dann seinen ganz besonderen Reiz. Bei der Segnung des Osterfeuers spricht der Priester: 
"Allmächtiger, ewiger Gott, du hast durch Christus allen, die an dich glauben, das Licht deiner Herrlichkeit geschenkt. Segne dieses neue Feuer, das die Nacht erhellt, und entflamme in uns die Sehnsucht nach dir, dem unvergänglichen Licht, damit wir mit reinem Herzen zum ewigen Osterfest gelangen. Darum bitten wir durch Christus, unseren Herrn."
Und siehe da - das Feuer erhellt so sehr die Nacht, dass es nahezu die Intensität der Sonne hat. Mir geht spontan durch den Kopf: "Der Herr meint es gut mit uns!" Diese Gedanken gehen mir kurz darauf
Die Segnung des Osterfeuers - irgendetwas scheint hier nicht zu stimmen.
abermals durch den Kopf. Als wir in der Kirche einziehen, wird das Exsultet gesungen. Beim Exsultet handelt es sich um einen Lobgesang auf Gott und seine Taten am Volk Israel als es aus Ägypten auszog und wie die Auferstehung Christi den Tod besiegt. In diesem Gesang ertönen immer wieder die Worte: "Dies ist die Nacht" und o "wahrhaft selige Nacht". Die Nacht ist hier noch Tag, da die Osternachtsfeier aus Sicherheitsgründen so früh beginnt, so dass bei Dunkelheit die Flüchtlinge wieder in ihren Wohnbereichen sind.
Die Lesungen der Osternacht mit der Beschreibung des Auszugs des Volkes Israel aus Ägypten sind so passend für die anwesenden Flüchtlinge. Wenn ich beim Hören dieser Schriftstelle an Gespräche mit Flüchtlingen denke, geht es mir unter die Haut. Unterdrückung, Folter und Verfolgung haben nicht das letzte Wort. Der Herr hört das Flehen seines Volkes und flieht mit seinem Volk und wandert mit ihm - und die vollständige Erlösung aller Menschen wird schließlich besiegelt durch den Tod und die Auferstehung Christi. 

Die Osternacht und dann auch der Ostersonntag (die Kirchen sind nun so voll, dass viele stehen - und zwar auch außerhalb der Kirche) wird mit einer großen Freude gefeiert. Liegt es daran, dass viele die Errettung aus der Not erlebt haben und bereits jetzt immer wieder eine Befreiung spüren? Wenigstens  einige Flüchtlinge haben gegenüber mir so den Zusammenhang zwischen ihrem Leben und der Feier des Osterfestes so beschrieben; sie haben bereits eine Errettung erfahren, fühlen sich gestärkt und erwarten die vollständige Erlösung. Und selbstverständlich freuen sich alle über ein Fest, welches den kargen Alltag durchbricht. Hier ein kleines Video von Ostersonntag:

An Karfreitagabend und am Samstag nach der Osternachtsfeier scheint der Muezzin lauter als üblicherweise zum Gebet zu rufen. Will er nur kurz in Erinnerung rufen, dass es in Kakuma auch noch Muslime gibt und die auch die Mehrheit unter den Flüchtlingen sind?

Am Ostersonntag sind alle Christen auf den Beinen - und viele freikirchliche Gruppierungen nutzen die Chance um Paraden abzuhalten - es ist eine Zeit des Feierns, aber auch des sich Präsentierens. Das Video gibt einen kleinen Einblick. Bei der Gruppe, die ich filmte, schien mir, dass sie vor allem im Kreis marschierten.

Allen eine gesegnete Osterzeit!