Sonntag, 9. Januar 2011

Ein Stueck Sudan in Kenia - oder - Das Referendum zur Unabhaengigkeit Suedsudans

Vor dem Wahllokal in Kakuma
Seit heute dem 09.01.2011 wird im Suedsudan darueber abgestimmt, ob eine Abloesung vom Nordsudan erfolgen soll und ein unabhaengiger Staat gegruendet wird. Auch in Kakuma wird gewaehlt: Sudanesische Fluechtlinge konnten sich vor etwa zwei Monaten hier im Lager registrieren lassen. Zu einem der beiden Wahllokale bin ich heute Nachmittag gegangen, um zu sehen wie die Beteiligung und die Stimmung ist. Insgesamt war die Warteschlange eher kurz, was mich doch eher ueberraschte, da scheinbar ziemlich jeder Sudanese auf jeden Fall waehlen will. Ein Sicherheitsmann erklaerte, dass am Vormittag wesentlich mehr Menschen kamen. Die Stimmung sei gut und die Menschen wuerden sich freuen waehlen zu duerfen. Wie es weitergeht, falls die Abstimmung die Unabhaengigkeit Suedsudans als Resultat hat? Niemand weiss es. Wird es zu Konflikten zwischen dem Norden und dem Sueden kommen? Wird es zu Machtkaempfen im Sueden kommen? Bleibt es insgesamt friedlich? Niemand weiss es. Hier im Lager hoffen und beten alle, dass es friedlich bleiben moege.

Gestern traf ich G., einen Fluechtling aus dem Sudan, der fuer den JRS als Wache arbeitet. Wir gingen einen Kaffee trinken in einem der vielen kleinen Lokale. Nach einigen Minuten erklaerte er auf eine Frage: Fuer die Menschen im Lager sei klar wie die Wahl ausgehe - nicht umsonst sei man Fluechtling. Er anspielt auf die gewalttaetigen Auseinandersetzungen an, die es zwischen dem Nordsudan und dem Suedsudan gab. Das Resultat zweier Buergerkriege sind nach Schaetzungen 2 Mio. Tote und 4 Mio. Fluechtlinge.  G. ist gleich alt wie ich (also 30 Jahre alt) und floh aus dem Sudan mit einigen Familienangehoerigen (Vater und zwei Geschwistern) sowie anderen Sudanesen 1987 nach Aethiopien. Von dort aus ging es dann 1993 weiter nach Kenia. Bei der weiteren Flucht nach Kenia hat er seine Familienangehoerigen vollkommen aus den Augen verloren - er hat keinen Kontakt zu Familienangehoerigen. Von seinen Erlebnissen berichtet er nichts - ich frage nicht nach. Ich moechte ihm die Freiheit lassen zu erzaehlen, was er moechte und ihn zu nichts noetigen. Verschiedene Fragen kommen in mir auf. Ob er einmal zurueck in seine Heimat geht? Was ist seine Heimat? Was soll ihn in den Sudan zurueck bringen? Von seinen 30 Lebensjahren hat er 17 Jahre im Fluechtlingslager in Kakuma verbracht.

Einem anderen sudanesischen Fluechtling, der ebenfalls fuer den JRS arbeitet, merkt man schnell an, dass er viel gelitten hat. Seine Stimme wirkt gebrochen und die ganzen Narben im Gesicht und am Hals kommen nicht von ungefaehr. Er wirkt aengstlich. Ob er eines Tages in den Sudan zurueckkehren wird - falls das Referendum friedlich verlaeuft und die Lord Resistance Army aus dem Sudan verdraengt ist? Ich glaube es nicht - die Erfahrungen in seiner Heimat haben ihn zu sehr veraengstigt.

Eigentlich besteht fuer die beiden Sudanesen nur die Hoffnung, dass sie eines Tages von den USA, Canada oder Australien aufgenommen werden - ansonsten bleiben sie noch viele Jahre in Kakuma.

P.S.: Die FAZ hat ein gutes, kurzes Video zum Referendum im Sudan erstellt. Hier koennt Ihr es anschauen.


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