Viele Flüchtlinge sehen sich mit Schwierigkeiten konfrontiert ihren persönlichen Lebensentwurf zu verwirklichen, so z.B. wenn sich ein Paar gerne in der Kirche trauen ließe, ihnen jedoch viele Steine in den Weg gelegt werden und sich das Paar letztlich sogar noch schuldig fühlt nicht kirchlich geheiratet zu haben. Ein Beispiel hierfür ist John.
Als ich im Oktober 2010 in Kakuma ankam, wurde bereits am ersten Sonntag in der Kirche eine Hochzeit gefeiert. Dies blieb in den drei Kapellen, in die ich abwechselnd gehe, ein absoluter Einzelfall. |
In Afrika gibt es noch immer die Mitgift zu bezahlen. Im Gegensatz zu Indien oder in Europa früher, muss hier in Afrika meist der Bräutigam der Familie der Braut die Mitgift bezahlen. Solange diese Mitgift nicht bezahlt ist, darf das Paar nicht kirchlich heiraten. Basta! Doch wer hindert sie daran nicht trotzdem kirchlich zu heiraten? Falls die Familie der Braut auf irgendeine Weise erfährt, dass eine kirchliche Hochzeit ohne die Begleichung der geforderten Mitgift erfolgte, so hat der Tradition nach die Familie der Frau das Recht die Frau und die Kinder dem Ehemann wegzunehmen. In Johns Fall fordert die Familie seiner Frau 10.000 US Dollar. Die Summe ist vollkommen aberwitzig - er wird nie im Stande sein diese Summe aufzubringen, höchstens vielleicht, falls er eines Tages von einem westlichen Land eingeladen wird dort zu leben (selbst dann wird es sehr schwierig sein die Summe aufzubringen und in einem solchen Fall werden er und seine Familie weit weg sein, so dass die Familie seiner Frau keine Möglichkeit hat die Kinder und seine Frau wegzunehmen bzw. zu erfahren, ob er kirchlich geheiratet hat). Wie kommt eine solche Forderung zustande? Entweder die Familie der Frau versucht auf diese Weise verzweifelt an Geld zu kommen oder die Familie will der Beziehung der beiden Menschen nicht zustimmen. Leider ist John kein Einzelfall - es gibt hier viele solcher Fälle, besonders unter Sudanesen. Ein weiterer Grund weshalb viele nicht heiraten können, liegt darin, dass die Dorfgemeinschaft anlässlich einer Hochzeit ein Fest erwartet, welches man sich ebenfalls nicht leisten kann.
Freunde, Nachbarn und Bekannte kommen und gratulieren nach der Messe. |
Als vor zwei Wochen am Sonntag kein Priester in Camp war, habe ich einen Wortgottesdienst gehalten. Da im Evangelium die Berufung der Jünger vorkam, nutzte ich die Chance und redete über die Schwierigkeiten die persönliche Berufung zu leben und griff als einen Hauptpunkt das Thema die wegen Geldmangel versagte kirchliche Hochzeit auf. Dabei ging ich nicht auf die damit verbundene Tradition und Kultur ein - es steht mir nicht zu darüber zu urteilen und würde auch bei den Menschen nicht gut ankommen – sondern ich ging darauf ein, wie Gott eventuell eine solche Beziehung sieht.
Daher sagte ich u.a: "Wenn zwei Menschen ihrem Herzen folgen und sie sich entscheiden in Treue ihr Leben miteinander zu verbringen, einander lieben und in Liebe ihre Kinder annehmen und erziehen, sollte die Beziehung mangels Geld scheitern? Sollte die Beziehung daran scheitern, dass unglaubliche Geldbeträge als Mitgift verlangt werden und nicht die Liebe zweier Menschen akzeptiert wird? Sollte eine Beziehung daran scheitern, dass ein Paar sich nicht eine große Feier für ihre Gemeinschaft leisten kann? Ich kann mir kaum vorstellen, dass Gott eine Beziehung scheitern lassen will, nur weil nicht genügend Geld für eine kirchliche Hochzeit vorhanden ist. Und ich glaube auch, dass sich in einem solchen Fall das Paar nicht schuldig fühlen muss - es ist nicht der Fehler des Paares, dass eine kirchliche Hochzeit nicht stattfinden kann. Vielmehr glaube ich, dass Gottes Segen auch auf einer solchen Ehe liegt."
Moin moin Christian,
AntwortenLöschenWie hat die Gemeinde reagiert? Gab es Reaktionen bzgl. Deiner Ansichten?
Am Ende des Gottesdienstes kamen zwei Gottesdienstbesucher auf mich zu und haben sich bei mir bedankt. Das ist nicht nur in Deutschland, sondern auch in Afrika eher selten der Fall. Für sie war glaube ich wichtig, dass ich 1. die für viele schwierige Situation wahrgenommen habe, 2. die Betroffenen ernst nehme und annehme und 3. ich sie nicht für die Angelegenheit verurteile. Und wer weiß, vielleicht werden die Betroffenen auch von einzelnen Mitflüchtlingen abwertig betrachtet und ich bin indirekt dagegen angegangen.
LöschenDer Artikel gefällt mir sehr gut! Ungewöhnlicher Einblick.
AntwortenLöschenM.L.
Dein Bericht über die Hochzeitsbräuche ist sehr interessant. Es ist
AntwortenLöschenwirklich erstaunlich und auch traurig, wie sehr hier noch "alte" Bräche
so "dominierend" sein können...
J.M.
Ich bin in Gedanken und Gebet immer wieder bei Dir! Die Erzählung zur Hochzeit hat mich natürlich sehr angesprochen, da ich ja selbst in Mitten der Vorbereitungen bin. Es muss wirklich schrecklich für die Ehepaare sein, wenn sie nicht kirchlich heiraten dürfen. Das hat mich unsere Hochzeit nochmal ganz besonders Schätzen lassen.
AntwortenLöschenR.R