Donnerstag, 28. Juli 2011

Krise in Ostafrika -- Der JRS errichtet einen Standort in Südäthiopien an der Grenze zu Somalia

In den letzten Wochen wurde ich haeufiger gefragt, wie die Situation in Kakuma sei, ob auch hier eine Hungersnot herrscht und viele Fluechtlinge ankommen. Insgesamt kann ich sagen, dass es in Kakuma recht ruhig ist. Aus Somalia kommen hier wenige Fluechtlinge an - wir sind schon fast 1000 Kilometer von der Grenze zu Somalia entfernt. Auch ist hier keine absolute Duerre, so dass die lokale Bevoelkerung durchaus hungert, aber keine Hungersnot herrscht. Neben der bestehenden Arbeit in Addis Ababa, Nairobi und Kakuma, wo bereits somalische Fluechtlinge unterstuetzt werden, beschloss der JRS nun sich in Suedaethiopien an der Grenze zu Somalia im Fluechtlingslager Dollo Ado zu engagieren. Die Aufgabenfelder werden zunaechst psycho-soziale Betreuung sowie Schulbildung fuer Fluechtlingskinder sein. 
Nachfolgend ist ein kurzer Artikel des Jesuitenfluechtlingsdienstes zur Situation in Ostafrika. Dieser Artikel ist auch unter folgendem Link auf der Homepage der Jesuitenmission zu finden.
http://www.jesuitenmission.org/infos-weltweit/aktuell-hilfe-fuer-ostafrika.html

Hilfe fuer Ostafrika
Ueber ein Viertel der somalischen Bevoelkerung befindet sich auf der Flucht vor Duerre und Hunger. Der Jesuitenfluechtlingsdienst (JRS) in Ostafrika unter der Leitung von Pater Pflueger SJ hilft seit Jahren Fluechtlingen in der Region.

Schätzungen zufolge sind 11 Millionen Menschen von der gegenwärtigen Dürre im östlichen Afrika betroffen. Am 20. Juli haben die Vereinten Nationen die Situation in zwei Regionen im Süden Somalias offiziell zur Hungersnot erklärt. Es muss schnell gehandelt werden, damit sich dieser Zustand nicht auf alle acht Regionen im Süden des Landes ausweitet.
Mutter und Kind im Fluechtlingslager
Viele Flüchtlinge aus Somalia sind länger als eine Woche unterwegs, um Hilfe auf der anderen Seite der Grenze zu suchen. Manche überleben den Weg nicht. Viele derer, die es schaffen, nehmen in den Flüchtlingslagern jenseits der somalischen Grenze die erste nahrhafte Mahlzeit seit Wochen zu sich. Die Hälfte der Kinder, die die Lager in Äthiopien und Kenia erreichen, ist schwer unterernährt; viele sterben.
Isak, ein einfacher Bauer, ist 20 Tage lang gelaufen. Sein Weg war von toten Tieren, leeren Dörfern, verhungernden Menschen und Leichen gesäumt. Er wacht am Krankenhausbett seines sechsjährigen Sohnes, der dem Tod nahe ist.

Langfristige Hilfe im Blick
Die Länder in der Region tun, was ihnen möglich ist. Mehr als 750.000 Somalis haben Zuflucht in den Nachbarländern gesucht; 423.000 allein in Kenia. Inmitten dieser humanitären Katastrophe hat der Jesuitenflüchtlingsdienst (JRS) Pläne bekannt gegeben, sowohl seine bisherige Hilfe für somalische Flüchtlinge in Kenia und Äthiopien auszubauen als auch neue Projekte zu beginnen.
P. Pflueger im Gespraech mit Fluechtlingen
„Die Erstversorgung mit Nahrungsmitteln, Gesundheits- und Sanitärdiensten muss von den großen Organisationen übernommen und koordiniert werden; dafür sind wir zu klein. Aber in kürzester Zeit werden die Menschen in den Lagern mehr brauchen, um ein würdiges Leben zu leben. Sie brauchen Hilfe in ihrer seelischen Not, und die vielen Kinder und Jugendlichen brauchen Schulen, damit sie überhaupt etwas zu tun haben “, sagt Frido Pflüger SJ, Regionaldirektor des JRS im östlichen Afrika. „Wir richten uns derzeit darauf ein, unsere Hilfeleistungen auszubauen, um den Überlebenden zu helfen wieder ein einigermaßen normales Leben zu leben. Das sind keine reinen Notfallmaßnahmen, sondern eine Verpflichtung auf lange Zeit, denn die Menschen werden über Jahre hinweg in den Lagern und den Großstädten bleiben.“

Hilfe in Aethiopien
Schulbildung fuer Fluechtlingskinder ist ein Schwerpunkt
des JRS.
JRS befindet sich bereits in Gesprächen mit UNHCR und der Regierung in Äthiopien, um Flüchtlinge in Dollo Ado durch psycho-soziale Hilfe und Sekundärbildung zu unterstützen. Die meisten Flüchtlinge hier kommen aus der Bay Region westlich von Mogadishu, manche haben bis zu 30 Tage Fußmarsch hinter sich, wenn sie eines der fünf Lager erreichen. Die einzige Organisation, die bisher Bildungsaktivitäten angeboten hat, wird sich nun der Nahrungsmittelhilfe zuwenden. „Obwohl Nahrungsmittel an erster Stelle stehen, darf die Bildung nicht vernachlässigt werden“, sagt Seyoum Asfaw, JRS Direktor in Äthiopien. Noch existieren keine festen Schulgebäude, es findet alles in Zelten statt, aber eine Partnerorganisation von JRS hat bereits einen Platz auf dem Gelände gesichert, um eine Schule zu errichten.
„Noch stehen uns keine Gelder zur Verfügung, um unsere Arbeit in Dollo Ado aufzunehmen, aber wir zählen auf die Hilfe vieler Spender, denn wir müssen ja unsere Hilfsstrukturen von Null aufbauen. Ich werde Anfang August nach Dollo Ado fahren, um mir ein klares Bild über die Lage zu verschaffen, damit wir gut und verantwortlich planen können “, sagt Pater Pflüger.

Hilfe in Nairobi 
Lebensmittelverteilung fuer Fluechtlinge in Nairobi
Auch JRS Teams in der kenianischen Hauptstadt Nairobi und im nordwestlich gelegenen Flüchtlingslager Kakuma bauen ihre Hilfe für somalische Flüchtlinge zur Zeit weiter aus. Es heißt, dass 43% der geschätzten 100.000 Flüchtlinge in Nairobi Somalis sind. Von JRS erhalten besonders bedürftige Flüchtlinge Nahrungsmittel, Decken, finanzielle Hilfe für die Mietzahlungen, medizinische Versorgung und psychologische Beratung. Flüchtlingskinder können ihre Schulbildung mit Hilfe von Stipendien fortsetzen. „Die, die in diesen Tagen nach Nairobi kommen, sind tagelang gelaufen und mussten Umwege nehmen, um al-Shabaab Milizen zu meiden. Viele Kinder sind unterwegs gestorben“, erklärt Irene Waweru, JRS Projektleiterin in Nairobi.

Hilfe in Kakuma
Im Flüchtlingslager Kakuma leben zur Zeit 80.000 Flüchtlinge, davon sind 55.000 Somalis. Ursprünglich waren die Aktivitäten des JRS in Kakuma auf sudanesische Flüchtlinge ausgerichtet, für die das Lager zunächst errichtet wurde. Aber seitdem Somalis die Mehrheit der Bevölkerung bilden, hat JRS seine Projekte
Fluechtlinge in Kakuma
angepasst. „Somalis haben eine völlig andere Kultur, Sprache und Religion. Die Alphabetisierungsrate unter ihnen ist extrem niedrig und Zugang zu Bildung ist dringend nötig, denn viele können nicht einmal ihre Bedürfnisse ausdrücken“, erklärt der JRS Projektleiter in Kakuma.
Bisher erreicht JRS mit seinen Hilfeleistungen etwa 8.000 Flüchtlinge in Kakuma. Bildung ist dabei eine Priorität und seitdem JRS Universitätskurse in Zusammenarbeit mit amerikanischen Jesuitenuniversitäten anbietet, können einige Somalis sogar studieren. Außerdem schult JRS aber auch psychologische Berater, unterstützt Flüchtlinge mit Behinderungen und bietet Frauen Schutz, die Opfer von sexueller und geschlechtsbedingter Gewalt geworden sind.

Hilfe in Addis Ababa
In der äthiopischen Hauptstadt Addis Ababa leben mehr als 160.000 Somalis. Noch ist die Anzahl der Neuankömmlinge nicht wesentlich angestiegen, aber JRS ist so aufgebaut, dass die Organisation in diesem Fall sofort reagieren kann.
Auch in Addis Ababa betreut der JRS Fluechtlingsfamilien
„Ich habe einen Monat gebraucht, um nach Addis zu laufen. Meine Beine waren geschwollen und ich war zu schwach, um zu reden als ich die Stadt erreichte, “ sagt Idil, eine 59-jährige Somalierin, die letzte Woche ankam. „Ich musste meine Mutter unterwegs zurücklassen, sie war zu alt, sie hat es nicht geschafft und ich musste mein eigenes Leben retten. Jetzt mach ich mir Sorgen um sie.“
Bereits seit 1996 unterstützt JRS Flüchtlinge in Addis durch Nahrungsmittel- und finanzielle Hilfe, Bildung, Freizeitaktivitäten, Sprach- und Computerunterricht, psychologische Beratung und Berufsausbildung und momentan profitieren fast 4.000 von dieser Hilfe.

Kampf gegen die Ohnmacht
„Die Anzahl somalischer Flüchtlinge in der Region ist enorm und manchmal fühlen wir uns ohnmächtig angesichts der großen Not. Aber wir müssen tun, was uns möglich ist, und wir sind überzeugt, dass wir mit der Art von Hilfe, die wir geben, das Leben der Menschen etwas lebenswerter machen können und zumindest ihre Hoffnung  auf eine bessere Zukunft  bestärken können,“ sagt Pater Pflüger.
(Angelika Mendes, JRS Ostafrika)


Wer die Arbeit des JRS für Flüchtlinge aus Somalia unterstützen möchte, kann seine Spende entweder auf das folgende Konto überweisen: Jesuitenmission
Spendenkonto 5 115 582
Liga Bank, BLZ 750 903 00
Verwendungszweck: X31113 JRS Somalia

oder auf mein Spendenkonto überweisen:

Jesuitenmission
Konto 5115582
Liga Bank BLZ 750 903 00
Verwendungszweck: "X42590 Braunigger - JRS Somalia"

Montag, 11. Juli 2011

Die Feier der Unabhängigkeit des Südsudans in Kakuma

Endlich war es soweit: Nachdem im Januar mehr als 98% der Suedsudanesen fuer einen vom Norden unabhaengigen Staat Suedsudan votierten, wurde nun am Samstag 09.07.2011 offiziell die Gruendung des 54 afrikanischen Staates vollzogen. Auch hier in Kakuma feierten die rund 20.000 Sudanesen dieses Ereignis
Die Flagge des neugegruendeten
Staates Suedsudan
ausgelassen. Selbstverstaendlich konnte ich es mir nicht nehmen lassen bei der Feierlichkeit vorbeizuschauen - zunaechst vor allem aus Neugier. Zusammen mit drei weiteren JRS Mitarbeitern fuhren wir zum ehemaligen Gerichtsgelaende der Sudanesen. Nach Entstehung des Fluechtlingslagers, als nur Sudanesen hier waren, kamen regelmaessig sudanesische Richter nach Kakuma, um Recht zu sprechen. Mittlerweile hat der kenianische Staat seine Verantwortung anerkannt und ist auch in Kakuma fuer die Justiz zustaendig und somit hat das Gelaende seinen urspruenglichen Zweck verloren.
Ausgelassene Freude bei den Feierlichkeiten zur Unabhaengigkeit des Suedsudans
Nach der Ankunft am Gerichtsgelaende wurden wir sofort gebeten auf das Podium der Ehrengaeste zu kommen. Dies auszuschlagen war natuerlich nicht moeglich. Fuer mich etwas ueberraschend war, dass kein Vertreter einer anderen Organisation anwesend war.  Nicht einmal der UNHCR noch die groesste Organisation vor Ort (LWF - Lutheran World Federation)  kamen zu diesem Fest. Meines Erachtens ist dies ein absolutes Armutszeugnis. Schliesslich kam, was ich schon erahnte. Die Gaeste vom JRS wurden eingeladen eine Ansprache zu halten, und zwar solle Bruder Christian doch ans Mikrophon kommen. Ueberrascht war ich, dass man mich hier mit Bruder Christian ankuendigte. Insgesamt dachte ich, dass man mich im Camp nicht so sehr mit Namen kennt, aber seit ich vor zwei Wochen begann in die Schulen zu gehen und dort als Bruder Christian vorgestellt wurde, bin ich nun unter diesem Namen bekannt.
U.a. sprach ich dann ueber das Motto des Jesuitenfluechtlingsdienstes - to serve, to accompany and to advocate, und zwar dass fuer uns accompany, also die Begleitung der Fluechtlinge, bedeute mit ihnen Leid zu teilen und ihnen beizustehen, jedoch auch die Freude mit ihnen zu teilen und sich mit den Suedsudanesen zu freuen, dass die Unabhaengigkeit nun erreicht sei. Weiterhin forderte ich auch zur Versoehnung zwischen Nord- und Suedsudan auf, und zwar einander zu vergeben und schliesslich friedlich Seite an Seite zu leben.
Erst waehrend meiner kurzen Ansprache fiel mir auf, wie wichtig es war, dass ich kurz bei den Feierlichkeiten vorbeischaute. Die Suedsudanesen waren gluecklich, dass wir an ihrer Freude teilhaben und uns ihr Schicksal nicht kalt laesst.
Es bleibt nur zu hoffen und zu beten, dass eine friedliche Koexistenz der beiden sudanesischen Staaten meoglich ist und die noch ungeklaerten Grenzfragen diplomatisch geloest werden.

Die anschliessenden Videos geben einige Impressionen zu den Feierlichkeiten in Kakuma:


P.S.: Im Internet ist der Film "God grew tired of us" zu finden, so z.B. bei Youtube. Der Film besteht aus 6 Teilen je ca. 15 Minuten (also insgesamt 90 Minuten).  Es ist eine Dokumentation ueber die Lost Boys of Sudan, Kinder im Alter zwischen 3 Jahren und 14 Jahren, die Ende der 80er Jahre ohne Eltern aus dem Suedsudan flohen und nach einigen Jahren schliesslich 1992 in Kakuma ankamen. Zu Beginn des letzten Jahrzehnts luden die USA einige tausend Lost Boys ein in den USA zu leben. Der Film berichtet ueber die Flucht, das Leben in Kakuma und schliesslich die Erfahrungen der jungen Sudanesen in den USA. Einfach zu Youtube gehen und dort nach "God grew tired of us" suchen - die Dokumentation ist sehr sehenswert.