Montag, 28. Februar 2011

IT Assistent gesucht - oder - Und dann wurde ich Computeringenieur!

Wie ich Euch bereits ausfuehrlich berichtet habe, bin ich verantwortlich fuer jegliche IT-Angelegenheiten + Generator und das Batteriensystem. Um mich zu unterstuetzen und vor allem Probleme zu loesen, wenn ich keine Lust habe zu arbeiten (wie z.B. waehrend meines Urlaubs oder im Falle von Krankheit), haben wir beschlossen einen Fluechtling als Assistenten einzustellen, der wie andere Fluechtlinge rund 40 Euro pro Monat verdient. Als dies bekannt wurde, fragte mich einer der anderen Fluechtlinge, der vor allem im Programm mit behinderten Schuelern arbeitet: "Was machst Du dann den ganzen Tag, wenn Du einen Assistenten einstellst?" Darauf konnte ich nur noch antworten: "Was wohl? Selbstverstaendlich Urlaub!" Diese etwas freche Frage hat mich durchaus gefreut, denn in Afrika ist dies gegenueber einem Uebergeordneten noch weniger moeglich als in Europa. Letztlich muss hierfuer bereits ein grosses Vertrauen vorhanden sein.

Das Studienzentrum in Kakuma - diese Baeume werden regelmaessig mit Unmengen
Wasser gegossen. Zu Beginn meiner Zeit hier hielt ich es fuer Wasserverschwendung.
Als ich erfuhr, dass hier in Kakuma GTZ (eine deutsche Organisation) fuer "Forstaufbau"
zustaendig ist und das Pflanzen von Baeumen und Straeuchern unterstuetzt wird, waren
meine Zweifel vollstaendig vom Tisch. Eine deutsche Organisation kann sich nicht irren, oder?


Auf unsere Stellenausschreibung haben sich immerhin 5 Personen beworben. Nicht alle Bewerbungen waren wirklich aussagekraeftig, aber da es nur fuenf waren, entschloss ich mich alle zum Vorstellungsgespraech einzuladen. Ich ging sehr zuversichtlich in die Vorstellungsgespraeche, denn wenigstens ein Kandidat erschien mir als geeignet: Seine Zertifkate waren vielversprechend und als ich ihn einige Tage vor dem Vorstellungsgespraech traf, hatte ich einen guten Eindruck von ihm.
Er war dann auch der erste an der Reihe: Wir plauderten ein wenig ueber seine Erfahrungen und da ich wissen wollte, was wirklich stimmt, gab ich ihm einige kleine Aufgaben zunaechst zwei sehr einfache, um die Nervositaet abzubauen (wie einen Text zu kopieren und an einer anderen Stelle einfuegen oder einfach nur auf dem Computer seinen Namen und seine Herkunft zu tippen). Ja, er war nervoes - aber ich hatte einen guten Eindruck. Dann erklaerte er mir was ein Antiviren Programm ist und auch was eine IP Adresse ist. Am Ende des Gespraechs fragten wir ihn bezueglich seiner Zukunftsplaene. Die Antwort war kurz: Er habe ein Stipendium erhalten und koenne im August nach Canada zu einem Studium gehen. Schoen fuer ihn! Musste er sich dann jetzt noch bewerben? Somit war mein Wunschkandidat aus dem Rennen!
Auch der zweite Kandidat machte einen ordentlichen Eindruck - in der Mitte des Gespraechs war ich von seinen Faehigkeiten ueberzeugt, auch wenn sein Englisch nicht sehr gut war. Und so kamen wir zum Punkt, welche Plaene er fuer sein Leben hat. Und seine Plaene waren sehr klar: Er sei im Umsiedlungsprozess fuer Australien. Da es hier verschiedene Stufen gibt, wollten wir einige weitere Informationen haben. Das Resultat: Die medizinische Untersuchung sei bereits vorueber - was soviel heisst, dass er in zwei bis drei Monaten nach Australien fliegt.
Interessant! Und warum bewerbt Ihr Euch ueberhaupt, wenn Ihr ohnehin bald die Fliege macht?!? Ich war schon ein wenig genervt - vor allem weil die Qualifikationen der beiden ersten Kandidaten mit Abstand am vielversprechendsten waren.
Also kam der dritte Kandidat. Er hat schon unendlich viele Kurse hier im Camp belegt - zu psychologischer Beratung, Gesundheitsaufklaerung, Child Protection... und eben auch einen Kurs in Computergrundlagen und einen Aufbaukurs in Software, Hardware und Netzwerken. Nachdem er zu reden begann, konnten wir ihn kaum noch stoppen. Er sprach ueber die vielen Dinge, die er gemacht hat (was uns nicht interessierte). Schliesslich konnte ich ihn die beiden Einstiegstests machen lassen - na ja, es dauerte schon recht lange, aber es ging. Auf die Fragen nach Antivirensoftware, Firewall und IP Adresse redete er und redete und redete. Ich verstand ihn nicht so richtig, aber schluessig war dies alles definitiv nicht - manche Dinge waren haarstraeubend! In diesem Moment dachte ich mir: Lieber mache ich hier alles alleine, als jemand einzustellen, der mich den ganzen Tag vollquaselt!
Der vierte Kandidat war recht nett - er hatte einige Grundqualifikationen, aber eben nur Basiswissen. Hinzu kommt, dass er ein gutes Stueck entfernt wohnt und wir uns fragten, wie er wohl die Distanz immer bewaeltigen wird. Aber er war sehr ehrlich: Wenn ich ihn etwas fragte und er es nicht wusste, dann gab er es zu - dies ist nicht so selbstverstaendlich hier. Aber in solchen Faellen kann ich Dinge erklaeren - ansonsten macht jemand einfach etwas und am Ende ist das Resultat niederschmetternd.
Den absoluten Abschuss leistete sich die 5 Kandidatin. In der Bewerbung hiess es: "Ich habe einen Kurs in Gemeinschaftsentwicklung gemacht und im Anschluss einen Abschluss in Computerwissenschaft gemacht. Im Anschluss wurde ich dann Computeringenieur in einem der oertlichen Institutionen." Zeugnisse waren der Bewerbung leider nicht beigelegt. Mit den Aufgaben Kopieren/Einfuegen, dem Tippen und der Frage nach Antivirensoftware war sie vollkommen ueberfordert. Dann erklaerte sie, dass im Zusammenhang der Gemeinschaftsentwicklung sie auch Computerstunden gehabt habe und Freunden mit dem Computer helfe. Worauf ich sie dann noch fragte, was die Studieninhalte beim Computerstudium in Nairobi waren und wie sie Computeringenieur wurde. Hier musste sie vollkommen passen: Alles war erstunken und erlogen!

Wir haben nun den 4 Kandidaten eingestellt. Meine Hoffnung ist, dass er sehr schnell lernt. Ja, diese Bewerbungsgespraeche sind schon lustig - auch wenn ich zwischendurch nicht mehr daran glaubte einen Assistenten zu erhalten.

Freitag, 11. Februar 2011

Wie sieht es eigentlich im Fluechtlingslager aus?

Heute moechte ich Euch ein wenig berichten, wie es im Fluechtlingslager aussieht. Meine Vorstellung von einem Fluechtlingslager sah bis vor einem halben Jahr etwa so aus: Menschen leben in Zelten, ueberleben lediglich aufgrund der Lebensmittelrationen der UNO und besitzen keine medizinische Versorgung.  In Kakuma war dies die Situation in den 90-er Jahren - seitdem hat sich allerdings vieles veraendert.
Da Fluechtlinge in der Regel viele Jahre im Camp verbringen, haben sie mit der Zeit Wohnhuetten gebaut. Dies sind in der Regel Lehmhuetten, die mit einem Wellblechdach ausgeruestet sind. In einer solchen Ein-Raum Huette leben meist mehrere Personen (Familien oder Geschwister...) - es koennen bis zu sechs  oder sieben Personen sein. Einige dieser Huetten teilen sich dann ein Plumpsklo. Eine Organisation bietet medizinische Hilfe, welche wirklich nur rudimentaer ist.
Zweimal taeglich besteht fuer eine Stunde die Moeglichkeit
an oeffentlichen Plaetzen Wasser in Kanister zu fuellen
und nach Hause zu transportieren - entweder im
Schubkarren, auf dem Kopf,...
Das Wasser fuer den taeglichen Bedarf erhaelt man an einer Wasserstelle, vor welcher immer wieder viele Menschen Schlange stehen. Zweimal taeglich besteht fuer eine Stunde die Moeglichkeit Wasser in Kanister zu fuellen. Nach einem mir unverstaendlichen System werden die eigenen Kanister abgestellt, welche die Reihenfolge markieren. Die Menschen warten dann im Schatten bis sie an der Reihe sind.
Zwei Mal monatlich werden vom Welternaehrungsprogramm (WFP) Lebensmittelrationen verteilt. Diese umfassen Maismehl, Reis, getrocknete rote Bohnen - und mit etwas Glueck einige hygienische Utensilien. Frisches Gemuese, Obst oder Fleisch kann bei den Temperaturen in Kakuma nicht gelagert werden und wird somit auch nicht ausgegeben. (Die gesamten Gueter werden in einem Zeitraum von zwei Wochen angefahren, zwischengelagert und schliesslich zum festgesetzten Termin beginnt die Lebensmittelverteilung).

In dieser Hauptverkehrsstrasse gibt es wie
an anderen Stellen im Camp einige kleine
Staende, Geschaefte und Lokale.
Mit den Jahren entwickelte sich daher im Camp ein Handel. In kleinen Geschaeften gibt es allerlei  fuer den alltaeglichen Bedarf zu kaufen. Ebenso gibt es  Metzgereien, die von einem Schlachthaus Fleisch erhalten - welches mit Tieren von der lokalen Bevoelkerung beliefert wird. Auf dem Markt gibt es ein wenig Gemuese, Zwiebeln, gelegentlich Tomaten, Karotten, Kohl. Diese Dinge werden mit privaten LKWs einige 100km angekarrt und vor Ort verkauft. Auch Handwerker sind im Camp zu finden: Schneider, Schuhmacher, Mechaniker...
Auf dem Foto ist die Hauptstrasse des Camps zu sehen. Sie ist viele Kilometer lang und fuehrt durch das gesamte Camp (inwiefern dies wirklich als Strasse bezeichnet werden kann angesichts der Loecher und Huegel auf der Fahrbahn sei dahingestellt).

Es gibt kleine Lokale, in denen man einen Tee oder Kaffee trinken und auch etwas Essen kann. Selbstverstaendlich ist dies alles sehr einfach aufgebaut - eine groessere Lehmhuette mit Lehmboden, und einigen Plastikstuehlen.
Wenn ich das Bild so anschaue, frage ich mich, ob mir an
diesem Tag kalt war. Anders kann ich mir nicht erklaeren,
dass ich ein langaermeliges Hemd trug. Aber
wahrscheinlich hatte es nur 36 Grad Celsius.
In der Ecke des Raumes wird mit Holzkohle Wasser gekocht und in einem Nebenraum sind einige kleine Kochstellen zu finden, die ebenfalls mit Holzkohle betrieben werden. Im Vorraum eines solchen Lokals trinke ich gelegentlich in einer kurzen Pause oder sonntags einen Tee.

Woher haben die Menschen Geld, um einkaufen zu gehen? Ist in diesem Fall die Hilfe von Organisationen ueberhaupt notwendig? Koennte sich dies nicht alles selbst tragen?

Nur weil Organisationen hier taetig sind, laeuft es relativ rund. So werden in unseren Programmen behinderte Menschen die Moeglichkeit den Tag lernend und spielend zu verbringen, traumatisierte Menschen erhalten Hilfe, im Frauenhaus koennen misshandelte Frauen unterkommen und im Bildungsprogramm wird eine Basis fuer die Zukunft geschaffen (siehe auch "Der Jesuitenfluechtlingsdienst und seine Arbeit"). Und in all diesen Bereichen bekommen Fluechtlinge eine Ausbildung und arbeiten dann mit uns, um anderen Fluechtlingen zu helfen. Ebenso beschaeftigen andere Organisationen Fluechtlinge. Dabei verdient ein Fluechtling etwa 45 Euro im Monat. Wenn er/sie verheiratet ist und einige Kinder hat, dann verdient er genuegend um ein wenig Gemuese und ein wenig Fleisch zu kaufen.
Wenn die Unterstuetzung der Organisationen wegfallen wuerde, saehe es hier bald ganz anders aus. Und selbstverstaendlich sind fuer alle Menschen zusaetzlich die Rahmenbedingungen schwierig: Bereits seit 5, 10 oder 15 Jahren von der Heimat weg, Ungewissheit ob einzelne Familienangehoerige ueberhaupt noch leben, Verlust der meisten Habseligkeiten, psychische und physische Beschwerden aufgrund der Erlebnisse, und nun in einer Gegend mit durchschnittlichen Tagestemperaturen um 39 Grad Celisus mit viel Staub.